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ivoaelg
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Samstag 17. April 2010, 21:57 |
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Registriert: Montag 8. März 2010, 21:55 Beiträge: 25 Wohnort: Schleswig-Holstein
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Wodurch unterscheiden sich diejenigen, die einfach nur (die) Zuneigung (der Eltern) suchen, von denjenigen, die das Gleiche suchen, aber als "Narziß" bezeichnet werden? Oder, andersherum: Sind alle die, die Anerkennung suchen, automatisch Narzißten?
Ich fühle mich nicht als selbstverliebt, sondern eher als Normalbürger, der dieses Zitat...
"Das Fehlen der vorbehaltlosen Liebe in ihrer frühen Kindheit kompensieren Narzißten entweder, indem sie eine Pseudoautonomie errichten, einen Schutzpanzer, der heftige Gefühle abwehrt und ihre übergroße Verletzlichkeit nicht preisgibt."
...bis auf den "Narziß" sofort unterschreiben würde.
LG,
Rüdiger
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ivoaelg
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Sonntag 18. April 2010, 09:17 |
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Registriert: Montag 8. März 2010, 21:55 Beiträge: 25 Wohnort: Schleswig-Holstein
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Nun gut: Ich habe diesen Schutzpanzer, der meine große Verletzlichkeit möglichst nicht preisgibt. Diesen Panzer habe ich übrigens inzwischen auch körperlich. -
Ich möchte nun aber meine kleine Geschichte fortsetzen.
Nach der Grundschule ging ich aufs Gymnasium und machte mein Abi mit durchschnittlichen Noten. War Mitbegründer einer Theater-AG, habe die Schul-Bühne technisch betreut. War DJ bei Klassenfesten, hatte erste Petting-Kontakte mit den Mädels, hatte erste Freundin, ohne mit ihr zu schlafen.
All das hat meine Eltern nicht interessiert: Vater war nur an guten Noten in geisteswissenschaftlichen (ich war eher den Naturwissenschaften zugeneigt) Fächern gelegen; für Mutter war entscheidend, daß ich zu den christlichen Zirkeln ging, in die sie mich schickte. Aufgeklärt hat sie mich, indem sie mir - nach Entdecken von "unchristlichen Flecken" auf dem Bettlaken - eine christliche Fibel in die Hand gab, nach der eine Erektion unnatürlich und eine Sünde sei. - Ich habe diesen ganzen christlichen Scheiß lange Jahre mitgemacht, um meine Mutter nicht zu enttäuschen.
Während ich eine Ausbildung (Lehre) zum Radio- und Fernsehtechniker absolvierte (was meinem Vater, als Geisteswissenschaftler, gar nicht gefiel), lernte ich eine Mitschülerin kennen, die ich täglich besuchte, sie aber nie (sexuell) anzufassen wagte - aus Angst, sie wäre mit dieser sexuellen Berührung nicht einverstanden, und ich könnte sie womöglich verlieren.
Nach meiner Lehre ging ich endlich - mit 24 Jahren - aus dem Elternhaus, in die Großstadt nach Hamburg, um dort in einem Fernsehsender eine technische Tätigkeit aufzunehmen. Es versteht sich von selbst, daß mein konservativer Vater, noch dazu Geisteswissenschaftler, von meiner Tätigkeit in diesem "roten" Sender nicht begeistert war.
Dort lernte ich aber eine wunderbare Frau kennen, die ich damals - vom Fleck weg, sagt man in Norddeutschland - geheiratet hätte. Es war nur so, daß ich - siehe oben - in der entscheidenden Nacht nicht gewagt habe, sie anzufassen (sie hat es auch nicht getan). Danach waren wir einige Zeit wie Schwester und Bruder, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe.
Seitdem bin ich - nach einigen halbherzlichen Versuchen - solo, und ertränke meinen Frust zu oft in Alkohol.
Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag, danke für euer "Ohr",
Rüdiger
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anima
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Sonntag 18. April 2010, 11:34 |
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Registriert: Freitag 19. März 2010, 12:20 Beiträge: 119
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...ich denke, dass mit dem Narzissten ist "nur" ein Wort...
Mir ging es tatsächlich eher um die Aussage und somit auch um die Antwort auf Deine Frage "Wodurch unterscheiden sich diejenigen, die einfach nur (die) Zuneigung (der Eltern) suchen, von denjenigen, die das Gleiche suchen..", ich denke, sie unterscheiden sich nicht. Menschen, die dies suchen, mit dem im Allgmeinenen negativ besetzten Begriff Narzißt zu bezeichnen, ist m.E. einfach sehr unglücklich gewählt.
Was Du weiter schreibst, lässt bei mir ein Bild entstehen, in dem ein Kind sein Leben lang von seinen Eltern nicht wirklich wahrgenommen, nicht "gesehen" wird. Dazu noch eine erstickende Sexualmoral und eine innerfamiliäre Stimmung, in der, das kann ich so nur vermuten, positive Intimität zwischen den Eltern eher selten war. Woher soll so ein Kind denn den Umgang mit sich selbst und seiner Sexualiät lernen? Das alles im erwachsenen Alter nachholen zu wollen und zu müssen, ist manchmal so mühevoll...
Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, es ist zu schaffen, dauert aber...bei mir ging der Weg über das Aufarbeiten der Geschichte, das Schaffen eines Selbstbildes, mit dem ich zufrieden bin und einem Cut mit den meisten alten Bekannten und danachfolgendem Neuanfang mit neuen Kontakten... Aber jetzt geht es.
Ich drücke Dir die Daumen und wünsche noch einen schönen Sonntag.
_________________ LG
Anima
Wer vom Ziel nichts weiß, wird den Weg nicht finden. (Christian Morgenstern)
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emelie
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Sonntag 18. April 2010, 11:59 |
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Registriert: Dienstag 2. März 2010, 11:17 Beiträge: 575
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Lieber Rüdiger
es tut mir sehr leid, was Du erfahren hast.
Leider kann ich gar nichts dazu sagen, Dir einen Rat geben oder Erfahrungen teilen. Aber ich finde es sehr mutig und toll von Dir, dass Du Dich hier öffnest.
Ich denke "reden" hilft . Du findest hier viele offene Ohren, wir sind für einander da
Alles Gute für Dich und
lG
Emelie
_________________ Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst Du im HEUTE von neuem beginnen
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delfo
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Sonntag 18. April 2010, 17:41 |
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Registriert: Sonntag 14. März 2010, 18:11 Beiträge: 43
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Hallo Rüdiger,
ich finde mich in einigen Deiner Erfahrungen wieder, neusprachliches Gymnasium mit neun Jahren Latein und Nebensache naturwissenschaftlicher Fächer trotz technischer Begabung, Abi mit durchschnittlichen Noten, christliche Zirkel wegen der Mutter, christliche Fibel „Reif werden und rein bleiben“ (entsetzlich!) auf Empfehlung des Pfarrers zur Konfirmation. Jahrelange Schuldgefühle.
Wäre gern Arzt geworden, habe aber es aber nicht studiert wegen der schulbedingten „Mängel“ in Biologie, Physik, Chemie, eine Fehlentscheidung aus heutiger Sicht.
Eines möchte ich jedoch hier anmerken, was allgemeiner gilt und nicht auf Dich persönlich gemünzt ist:
ich kann an meine Eltern heute liebevoll denken, sie waren auch fantastische Menschen, die mir viel mitgegeben und geschenkt haben, wofür ich dankbar bin, Menschen mit Fehlern wie wir alle. Aber erst verzeihen zu können macht uns frei.
Wir müssen versuchen, uns von allen negativen Gedanken und Vorwürfen zu lösen, weil sie uns nicht weiterbringen, sondern schaden, depressiv machen.
Ich bin für mein Leben und was mir passiert selbst verantwortlich, muss die Entscheidungen, was ich tue, selbst treffen, auch die, nicht mehr trinken zu wollen.
Ich hab das hier aufgeschrieben, weil ich in vielen Beiträgen dieses Forums Negativierung und Rückwärtsschau auf Problemursachen unseres Alkoholmissbrauchs in der Kindheit und Jugend festgestellt habe. Die Lösung davon und sich seiner selbst bewusst zu werden, hilft auch aus der Depression. Ich hab gerade nocheinmal anima`s Geschichte gelesen und es tut mir sehr leid, was ihr geschehen ist. Da versteh ich, dass man sowas aufarbeiten muss, um sich zu befreien und in die Zukunft schauen zu können.
LG delfo
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anima
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Sonntag 18. April 2010, 22:45 |
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Registriert: Freitag 19. März 2010, 12:20 Beiträge: 119
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Nur, um es noch einmal herauszustellen, meine Eltern leben beide noch und ich schaffe es mittlerweile, sie zu auszuhalten, es fällt mir schwer und mehr als 2 Tage am Stück versuche ich zu vermeiden. Ich sehe ihr Drama und kenne ihre Geschichte. Ich bin mittlerweile auch nicht mehr wütend, nur manchmal noch traurig. Ich merke, dass sie mich brauchen, wie immer schon, aber ich bin mittlerweile soweit, dass ich dazu stehe, dass das nicht mein Job ist und ich kann mich sanft davon abgrenzen, ohne Kampf und ohne schlechtes Gewissen. Ich konnte die Auseinandersetzung mit ihnen führen. Wenn die Eltern schon verstorben sind, ist das nicht mehr möglich, was die Situation sicherlich nicht leichter macht. Dennoch geht es nicht ohne, glaube ich. Ein Verzeihen ohne einmal auch ausdrücken zu dürfen, was einem überhaupt nicht gut getan hat, funktioniert m.E. nicht.
_________________ LG
Anima
Wer vom Ziel nichts weiß, wird den Weg nicht finden. (Christian Morgenstern)
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ivoaelg
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Dienstag 20. April 2010, 23:43 |
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Registriert: Montag 8. März 2010, 21:55 Beiträge: 25 Wohnort: Schleswig-Holstein
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Hej delfo,
vielen Dank für die Mitteilung Deiner Erfahrung, gerade, was diese christlichen Zirkel betrifft. Ich finde ganz besonders diese "christlichen Fibeln" zur sexuellen Aufklärung perfide: Einerseits schildert allein deren Verabreichung den Pubertierenden, daß Sexualität "Sünde" sei, andererseits sind sie ein Signal dafür, daß die Eltern nicht imstande sind, Verständnis für die Pubertierenden aufzubringen oder gar ihnen mit ihren Gefühlen zuzuhören.
delfo hat geschrieben: ..ich kann an meine Eltern heute liebevoll denken, sie waren auch fantastische Menschen, die mir viel mitgegeben und geschenkt haben Es gelingt mir nur, an meinen Vater liebevoll zu denken. Er hat meine Mutter 15 Jahre überlebt und selbst unter ihrer Religiosität gelitten. Er hat mich aber, nach ihrem Tod, oft niedergemacht und vor Anderen bloßgestellt. Trotzdem gab es da liebevolle Momente. Meine Mutter allerdings lebte, sofern ich mich erinnern kann, nur für ihre Religion. Die war Bestandteil ihrer täglichen Rituale, in die sie mich einbezog. Ich habe ihre Rituale jahrelang mitgemacht, um sie nicht zu enttäuschen. Selbstverständlich hatte sie größte Liebe zu mir - aber nur, wenn ich ihr zu verstehen gab, daß ich ihre Gottesanschauung teilte. delfo hat geschrieben: ...erst verzeihen zu können macht uns frei. Aus meiner heutigen Sicht sage ich: Verzeihen ist nicht drin. Meine Wut ist zu groß, noch immer reichlich vorhanden. delfo hat geschrieben: Wir müssen versuchen, uns von allen negativen Gedanken und Vorwürfen zu lösen, weil sie uns nicht weiterbringen, sondern schaden, depressiv machen.
Aber wie?
LG, Rüdiger
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delfo
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Donnerstag 22. April 2010, 18:42 |
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Registriert: Sonntag 14. März 2010, 18:11 Beiträge: 43
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Hallo Rüdiger,
das ist alles richtig, was Du schreibst und ich verstehe das auch. Deine Frage „Aber wie?“ ist berechtigt und natürlich nicht einfach zu beantworten, ich bin kein Therapeut. Zu sagen „don`t worry, be happy“, ist zu simpel. Sicherlich muss man das, was einen verletzt hat, gegenüber den Beteiligten aussprechen, darüber reden, wenn es noch geht, so schwer und hart das sein wird. Man kann auch mit jemanden darüber reden, dem man vertraut, evtl. mit einem Therapeuten. Es in diesem Forum zu schreiben, hilft auch.
Letztendlich wollte ich darauf hinaus, dass wir mehr in die Zukunft als rückwärts schauen, weil uns das (besser) guttut.
LG delfo
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ivoaelg
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Freitag 30. April 2010, 19:39 |
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Registriert: Montag 8. März 2010, 21:55 Beiträge: 25 Wohnort: Schleswig-Holstein
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anima hat geschrieben: ...in dem ein Kind sein Leben lang von seinen Eltern nicht wirklich wahrgenommen, nicht "gesehen" wird. Dazu noch eine erstickende Sexualmoral und eine innerfamiliäre Stimmung, in der, das kann ich so nur vermuten, positive Intimität zwischen den Eltern eher selten war.
Du hast es perfekt ausgedrückt! Allein die Tatsache, daß es jemand ausgesprochen hat, hilft mir weiter.
Liebe und dankbare Grüße,
Rüdiger
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ivoaelg
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Betreff des Beitrags: Verfasst: Freitag 30. April 2010, 22:12 |
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Registriert: Montag 8. März 2010, 21:55 Beiträge: 25 Wohnort: Schleswig-Holstein
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Hej, delfo, anima und emelie, federico und all die Anderen,
Therapien habe ich die letzten 15 Jahre gemacht. Einzel- und Gruppentheraphien, systhemische, analytische, ob von der Sozialversicherung bezahlt oder von mir selbst. Alle haben mich jeweils ein Stück weitergebracht.
Irgendwann ist alles gesagt. Ich möchte nicht mehr antworten müssen, möchte nur noch in Armen gehalten werden, und möchte das aushalten lernen.
Anfang Juni habe ich einen Termin bei (m)einem Neurologen, der bereits Baclofen verschrieben hat.
LG,
Rüdiger
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