Baclofen Forum vs Alkoholismus

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 Betreff des Beitrags: Doccheck über Baclofen
BeitragVerfasst: Montag 29. Oktober 2018, 20:08 
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Registriert: Mittwoch 5. Oktober 2011, 18:28
Beiträge: 97
Ziemlich negativ und ein dümmliches Fazit über die Gründe für die Marktzulassung von Baclofen durch die französische ANSM, finde ich.

https://news.doccheck.com/de/newsletter ... letter-DE-


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 Betreff des Beitrags: Re: Doccheck über Baclofen
BeitragVerfasst: Mittwoch 31. Oktober 2018, 08:27 
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Registriert: Freitag 6. April 2012, 14:01
Beiträge: 1457
Vielen Dank für den Hinweis auf diesen Artikel.

Ehrlich gesagt finde ich ihn eher neutral und gut recherchiert. Tatsächlich ist die Studienlage ja nicht so gut, wie wir sie uns alle wünschen - in Deutschland würde es nicht zu einer Zulassung reichen.
Zitat:
Während Fallreports naturgemäß positive Resultate schildern, da hier der Publikationsbias voll zum Tragen kommt, fallen die Effekte in kontrollierten klinischen Studien unterschiedlich aus.
Die Aussage zu den Fallreports stimmt leider - es werden wohl kaum Fälle veröffentlicht, bei denen die Behandlung von Baclofen keinen Erfolg zeigte - wie bei allen anderen Medikamenten, Naturheilmitteln, sonstigen Therapien ja auch. Und natürlich nicht nur die Alkoholkonsumkrankheit betreffend (schade, dass diese in dem Artikel nicht so genannt wird), sondern auch X anderes...

Außerdem ist der Artikel durchaus kritisch gegenüber Umgang und Therapie von Alkohol insgesamt:
Zitat:
Die aktuelle S3-Leitlinie zeigt, dass es große Lücken im Umgang mit der Alkoholabhängigkeit gibt.
Zitat:
Therapeutischer Nihilismus ist weit verbreitet und wird mit jedem rückfälligen Patienten scheinbar bestätigt.
Zitat:
Vielfach wird bezweifelt, dass Alkoholabhängigkeit überhaupt eine Krankheit ist und zu Lasten von Krankenkassen behandelt werden sollte. Die privaten Krankenkassen schließen Leistungen für Suchtkranke weiterhin aus.


Zitat:
...weil man die Alkoholsucht mit einer Pille behandelt: Also eine Droge durch eine andere ersetzt.
Diese Ansicht ist leider weit verbreitet.

Zitat:
Wahrscheinlich erhofft man sich dadurch mehr Kontrolle über die Therapie und weniger schwere Zwischenfälle, wenn sie nicht selbständig durchgeführt, sondern von Ärzten verschrieben und begleitet wird.
Das ist für die ANSM sicherlich nicht der einzige Grund, Baclofen zuzulassen, ist aber ein wichtiges Argument.

LG Fallada

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 Betreff des Beitrags: Re: Doccheck über Baclofen
BeitragVerfasst: Donnerstag 1. November 2018, 22:24 
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Moderator

Registriert: Sonntag 2. Juni 2013, 21:10
Beiträge: 1683
Vielen herzlichen Dank für die Erläuterungen, liebe Fallada.

Klasse!, wie immer :daumen:

LG

Patrick


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 Betreff des Beitrags: Re: Doccheck über Baclofen
BeitragVerfasst: Freitag 2. November 2018, 15:35 
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Registriert: Freitag 17. September 2010, 19:08
Beiträge: 1949
Wohnort: Giessen
Ihr Lieben,

ich habe lange überlegt ob ich hier Stellung nehmen soll. Ich tue es jetzt einfach. Gerade dieser Artikel ist meiner Meinung nach nicht geeignet einen "fairen" Überblick über die Behandlung der Alkoholstörung mit Medikamenten zu geben.

Die "Praktiker", sprich Hausärzte, wären ja nun die erste Anlaufstelle; hier besteht leider oft nicht nur therapeutischer Nihilismus sondern auch oft recht einfach starke Aversion gegenüber dieser "Erkrankung"; O-Ton einiger KollegInnen bei einer Weiterbildung am WE: " bei Sucht bin ich raus", " denen ist eh nicht zu helfen", "ruinieren eh nur ihre Umwel", "sollen gefälligst alleine klarkommen". Ich habe gestaunt. Ehrlicherweise bleibt aber auch dem Allgemeinmediziner in der Praxis immer weniger Zeit um sich um diese Thematik zu kümmern...
Was bietet denn aber nun unsere aktuelle, moderne Suchtmedizin für Alkoholismus: maximal 10% der Patienten werden erreicht und trotz Entgiftung/ qualifiziert/ Langzeit/ SHG werden ca. 10% "gesund". Als Aktienunternehmen dem Untergang geweiht....

Die S3-Leitlinie ist tatsächlich so ungeeignet für den täglichen Gebrauch, dass die nächste bereits in 2019 begonnen werden soll.

Tatsache ist, dass Alkoholiker nun mehr "medikamentiert" weden sollen. Klar, sind ja viele. Und nun zur Sorgfaltspflicht einer Redakteurin:

Disulfiram kann aktuell nur über die internationale Apotheke erhalten werden. Die Therapie erlebt gerade, zusammen mit "psychosozialer Begleitung", einen enormen Aufwind, zB. Mutschler/Schweiz. Es gibt einige Patienten, die tatsählich profitieren, ich fände es besser wenn der Patient nicht aus Angst vor Leid aufhört zu trinken, sondern aus dem tiefen Wunsch der Veränderung.
Die Therapie ist in Osteuropa relativ weit verbreitet, auch mit Implantation von "Depotpumpen", die nach Monaten wieder neu "bestückt" werden müssen.

Acamprosat (Campral) überzeugt weder theoretisch, noch klinisch. Prof. Spanagel sagte bereits 2012 (hier schon oft zitiert), dass Campral nicht viel besser wirkt als calciumhaltiges Mineralwasser. Mir wird dann oft engegengehalten dass das Medikament ja aber die Arzt-Patientenbindung fördern könne....Glutamat hin oder her -das finde ich gegenüber einem rückfallgefährdeten Patienten gegenüber einfach nur menschenverachtend.

Naltrexon ist ein Opiatantagonist und soll die "Rauschwirkung des Alkohols" aufheben, es gibt eine Patientengruppe, die wohl profitiert, die jedoch noch nicht definiert werden konnte, es müssen mindestens 9-12- Patienten behandelt werden damit ein Mensch möglicherweise profitiert. Nalmefen ist hier sozusagen die "Weiterentwicklung", also auch ein Opiatantagonist, der - vor Markteinführung riesig gehypet- in der Praxis nicht überzeugen konnte. Die unerwünschten Wirkungen sind hier wrklich im Vordergrund.

Wenigstens diesen Erkenntnisgrad hätte ich dem Artikel gegönnt.

Jetzt zum Baclofen: ja die Studienergebnisse sind inkohärent. Unse Kollegin Amanda Stafford hat die sehr schön aufgearbeitet.
https://baclofentreatment.com/backgroun ... ive-is-it/
Für 2018 spätestens hier:
https://baclofentreatment.com/backgroun ... 18-update/

Es werden Studien geplant ohne spezifische Kenntnis der pharmakologischen Eigenschaften von Baclofen - oft schon beginnend mit der Tatsache dass es keine allgemein gültige Dosis-Wirkungsbeziehung gibt. Wie kommen gerade die 12 "Metaanalysen" in eine der letzten Cochrane-Analyse die einen negativen Ausgang vorab wahrscheinlich machen?

Über die Hintergründe dieser gezielten Diskreditierung in Frankreich gibt es natürlich viele Spekulationen. Fakt ist zB. dass diese "Hochrechnung" der Komplikationen und Todesraten unter Baclofen mehr als fragwürdig ist, initial rasch veröffentlicht wurde ohne Nennung der Autoren. Nimmt ein Patient eine handvoll SSRis oder setzt diese aprubt ab und trinkt ein Fläschchen Vodka landet er u. U. auch im KKH - dass jemand nun das Ansinnen stellt dass ADs verboten werden müssen habe ich noch nie gehört.

Sicher ist, dass Baclofen kein "Hustenbonbon" ist und verantwortungsvoll begleitet werden muss (von Ärzten, die bereit sind sich mit dem Medikament und seiner Wirkweise vertraut zu machen und Patienten, die sich ernsthaft um Compliance bemühen). Gerade weil es keine echte medikamentöse Alternative gibt.

Lieben Gruß
jivaro

_________________
"In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst."
Marcus Aurelius


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 Betreff des Beitrags: Re: Doccheck über Baclofen
BeitragVerfasst: Dienstag 6. November 2018, 21:06 
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Registriert: Sonntag 19. Januar 2014, 11:21
Beiträge: 256
Hallo Jivaro!

Danke für dieses sehr treffende und engagierte Statement ~O)

Vom DonQ :ympeace:

_________________
„Die Gerichtshöfe der Moral kennen keine Strafprozessordnung“ (Hermann Lübbe) Erklärung …


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