Ihr Lieben,
ich habe lange überlegt ob ich hier Stellung nehmen soll. Ich tue es jetzt einfach. Gerade dieser Artikel ist meiner Meinung nach nicht geeignet einen "fairen" Überblick über die Behandlung der Alkoholstörung mit Medikamenten zu geben.
Die "Praktiker", sprich Hausärzte, wären ja nun die erste Anlaufstelle; hier besteht leider oft nicht nur therapeutischer Nihilismus sondern auch oft recht einfach starke Aversion gegenüber dieser "Erkrankung"; O-Ton einiger KollegInnen bei einer Weiterbildung am WE: " bei Sucht bin ich raus", " denen ist eh nicht zu helfen", "ruinieren eh nur ihre Umwel", "sollen gefälligst alleine klarkommen". Ich habe gestaunt. Ehrlicherweise bleibt aber auch dem Allgemeinmediziner in der Praxis immer weniger Zeit um sich um diese Thematik zu kümmern...
Was bietet denn aber nun unsere aktuelle, moderne Suchtmedizin für Alkoholismus: maximal 10% der Patienten werden erreicht und trotz Entgiftung/ qualifiziert/ Langzeit/ SHG werden ca. 10% "gesund". Als Aktienunternehmen dem Untergang geweiht....
Die S3-Leitlinie ist tatsächlich so ungeeignet für den täglichen Gebrauch, dass die nächste bereits in 2019 begonnen werden soll.
Tatsache ist, dass Alkoholiker nun mehr "medikamentiert" weden sollen. Klar, sind ja viele. Und nun zur Sorgfaltspflicht einer Redakteurin:
Disulfiram kann aktuell nur über die internationale Apotheke erhalten werden. Die Therapie erlebt gerade, zusammen mit "psychosozialer Begleitung", einen enormen Aufwind, zB. Mutschler/Schweiz. Es gibt einige Patienten, die tatsählich profitieren, ich fände es besser wenn der Patient nicht aus Angst vor Leid aufhört zu trinken, sondern aus dem tiefen Wunsch der Veränderung.
Die Therapie ist in Osteuropa relativ weit verbreitet, auch mit Implantation von "Depotpumpen", die nach Monaten wieder neu "bestückt" werden müssen.
Acamprosat (Campral) überzeugt weder theoretisch, noch klinisch. Prof. Spanagel sagte bereits 2012 (hier schon oft zitiert), dass Campral nicht viel besser wirkt als calciumhaltiges Mineralwasser. Mir wird dann oft engegengehalten dass das Medikament ja aber die Arzt-Patientenbindung fördern könne....Glutamat hin oder her -das finde ich gegenüber einem rückfallgefährdeten Patienten gegenüber einfach nur menschenverachtend.
Naltrexon ist ein Opiatantagonist und soll die "Rauschwirkung des Alkohols" aufheben, es gibt eine Patientengruppe, die wohl profitiert, die jedoch noch nicht definiert werden konnte, es müssen mindestens 9-12- Patienten behandelt werden damit ein Mensch möglicherweise profitiert. Nalmefen ist hier sozusagen die "Weiterentwicklung", also auch ein Opiatantagonist, der - vor Markteinführung riesig gehypet- in der Praxis nicht überzeugen konnte. Die unerwünschten Wirkungen sind hier wrklich im Vordergrund.
Wenigstens diesen Erkenntnisgrad hätte ich dem Artikel gegönnt.
Jetzt zum Baclofen: ja die Studienergebnisse sind inkohärent. Unse Kollegin Amanda Stafford hat die sehr schön aufgearbeitet.
https://baclofentreatment.com/backgroun ... ive-is-it/Für 2018 spätestens hier:
https://baclofentreatment.com/backgroun ... 18-update/Es werden Studien geplant ohne spezifische Kenntnis der pharmakologischen Eigenschaften von Baclofen - oft schon beginnend mit der Tatsache dass es keine allgemein gültige Dosis-Wirkungsbeziehung gibt. Wie kommen gerade die 12 "Metaanalysen" in eine der letzten Cochrane-Analyse die einen negativen Ausgang vorab wahrscheinlich machen?
Über die Hintergründe dieser gezielten Diskreditierung in Frankreich gibt es natürlich viele Spekulationen. Fakt ist zB. dass diese "Hochrechnung" der Komplikationen und Todesraten unter Baclofen mehr als fragwürdig ist, initial rasch veröffentlicht wurde ohne Nennung der Autoren. Nimmt ein Patient eine handvoll SSRis oder setzt diese aprubt ab und trinkt ein Fläschchen Vodka landet er u. U. auch im KKH - dass jemand nun das Ansinnen stellt dass ADs verboten werden müssen habe ich noch nie gehört.
Sicher ist, dass Baclofen kein "Hustenbonbon" ist und verantwortungsvoll begleitet werden muss (von Ärzten, die bereit sind sich mit dem Medikament und seiner Wirkweise vertraut zu machen und Patienten, die sich ernsthaft um Compliance bemühen). Gerade weil es keine echte medikamentöse Alternative gibt.
Lieben Gruß
jivaro