Baclofen Forum vs Alkoholismus

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 Betreff des Beitrags: Erst ein Jahr her – Baclofen kann gar nicht funktionieren
BeitragVerfasst: Samstag 1. Januar 2011, 15:09 
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kaum zu glauben, aber das ist jedenfalls die Meinung von Dr. med. Tom Bschor, Chefarzt der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie des Jüdischen Krankenhauses, ab 1.1.2010 Chefarzt der Abteilung Psychiatrie der SchlossparkKlinik, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.

Erschreckend wie man sich mit einem derart unvollständigen Wissen in einer solchen Position äußern kann:
Zitat:
Zitat: Denn es gibt meines Wissens nach aktuell keine Placebo-kontrollierte Studie, die Baclofen für die Alkoholkrankheit kontrolliert hätte.

Hätte er den Anhang des von ihm rezensierten Buches nur kurz überflogen ... Stattdessen:
Zitat:
Zitat: Fallberichte wie etwa der von Ameisen nützen nichts, denn ohne Placebo-Kontrolle kann man nichts belegen. Betroffenen Patienten empfehle ich, sich an die etablierten Suchtberatungsstellen
zu wenden und den üblichen und bewährten Weg der Suchtbehandlung einzuschlagen.

Na also, es ist doch ganz einfach. Aber es kommt noch besser, denn der Herr Bschor weiß auch warum Baclofen gar nicht funktionieren kann:
Zitat:
Zitat: Der Unterschied zwischen Alkohol und Baclofen ist wahrscheinlich – und deshalb bezweifle ich auch, dass es letztlich wirklich für die Suchtbehandlung geeignet ist – dass Baclofen nur in sehr geringen Mengen ins Gehirn aufgenommen wird. Es kann die so genannte Bluthirnschranke nur sehr schlecht passieren. Deswegen macht es nicht abhängig.

Jetzt ist klar, nur Medikamente die selbst abhängig machen, können helfen. Diese Logik erfordert starke Nerven und führt dann folgerichtig dazu:
Zitat:
Zitat: Im Übrigen gilt zu bedenken, dass es bereits Medikamente gibt, die für die Alkoholabhängigkeit untersucht und zugelassen sind und deren Wirkung belegt ist, zum Beispiel Acamprosat (Campral®).


Eigentlich muss man nicht weiter lesen, wer es sich dennoch antun möchte, PDF liegt bei. Das neue Jahr fängt gut an.

Ein hoffnungsvolles 2011 für Alle
Federico


Dateianhänge:
BA_Interview_PD_Dr.med.Bschor_UH_1209.pdf [897.95 KiB]
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BeitragVerfasst: Samstag 1. Januar 2011, 18:06 
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Ich hab's mir angetan und kann nur den Kopf schütteln...


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BeitragVerfasst: Samstag 1. Januar 2011, 20:22 
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in der Tat, Campral ist äußerst wirksam. Bei Tinitus. http://tinnitus.thieme.de/tinnitus/camp ... nitus.html

Ganz im Gegensatz in der Behandlung bei Alkoholismus. Die Wirksamkeit nach 6 bis 12 Monaten ist nicht höher als unter Placebo.

Entnommen aus: http://www.arznei-telegramm.de/register/0001013.pdf

Seit unserer letzten Beurteilung zu Acamprosat (CAM-
PRAL; a-t 1997; Nr. 3: 29) hat sich die Datenlage nicht ver-
bessert. In den insgesamt sechs verwertbaren Doppelblindstu-
dien über sechs bis zwölf Monate verdoppelt das Mittel in et-
wa die Abstinenzraten gegenüber Plazebo – so lange es einge-
nommen wird. Allerdings fallen hohe Abbruchraten zwischen
50% und 80% auf, überwiegend wegen Rückfälligkeit. Letzt-
lich hilft Acamprosat nur jedem zwölften bis maximal sechs-
ten Patienten, über ein Jahr lang durchgehend abstinent zu
bleiben (Number Needed to Treat [NNT, a-t 1998; Nr. 5:
47-50] = 6-12/Behandlungsjahr). Die Ergebnisse sind nicht
für alle Studien signifikant. Auch für andere Parameter wie
mittlere Zeit der Abstinenz, Tage ohne Alkohol oder Gesamt-
konsum von Alkohol ist die Datenlage widersprüchlich. Der
Nutzen bleibt allenfalls gering.1,2
Sechs bis spätestens zwölf Monate nach Beendigung der
Einnahme finden sich keine höheren Abstinenzraten als unter
Plazebo. Schon während der Behandlung schwindet der Ef-
fekt. Ob unter Dauertherapie langfristige Abstinenz zu erzie-
len ist, bleibt beim derzeitigen Wissensstand unwahrschein-
lich.3,4 Eine psychosoziale Begleittherapie ist in jedem Fall
zwingend vorgeschrieben.

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BeitragVerfasst: Sonntag 2. Januar 2011, 04:45 
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Man kann ja von mir aus eine eher skeptische Einstellung bzgl. Baclofen haben. Erwiesene Falschbehauptungen sind eine andere Sache. Dies betriff in erster Linie die in Abrede gestellten placebo-kontrollierten Studien, welche zum damaligen Zeitpunkt sehr wohl vorlagen. Die absoluten Experten auf dem Gebiet wie Prof. Addolorato und Co, welche exakt diese Studien aufgestellt haben, wären von solchen Aussagen wohl wenig begeistert. Die Begründung warum Baclofen angeblich nicht funktionieren könne, ist ebenfalls fehlerhaft.


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BeitragVerfasst: Sonntag 2. Januar 2011, 11:57 
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Ich weiß nicht wie es Euch geht – mich packt bei solchen Aussagen aus dem Munde eines Mitglieds der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft die kalte Wut. Ich frage mich, muss mich fragen: plappert sich da ein schlecht informierter Karrierist nur völlig unempathisch zur nächsten Chefarztposition hoch oder haben wir es mit einem engagierten Mediziner zu tun, der sich als Funktionär betätigen will um Schaden von seinen Kollegen abzuwenden?

Dass er Schaden von Patienten abwenden will, kann man ihm sicher nicht vorwerfen – das beweist sein Einwand, mit Campral stünde ein wirkungsvolles Medikament zur Verfügung. Sein unverhohlener Apell an die Ärztekollegen, sich an die Regeln zu halten, könnte aus Sicht des Patienten gut als Aufforderung zur unterlassenen Hilfeleistung verstanden werden. Zitat Bschor: man muß auf jeden Fall darüber diskutieren, wie verantwortungsvoll das ist. Gemeint ist mit diesem Zitat die Chuzpe von Olivier Ameisen als Mediziner ein Buch mit dem hinlänglich bekannten Inhalt zu schreiben. Zitat: Die Frage ist daher, inwieweit Ameisen mit seiner Autorität als Arzt dazu beiträgt, dass Baclofen ungeprüft und natürlich Off-Label für die Indikation Alkoholsucht verordnet wird.

Tom Bschor hat auch ein Buch mitgeschrieben. „Psychiatrie fast“ lautet der Titel, hier die Kurzbeschreibung: Der Crashkurs-Klassiker: medizinisch fundiert und extrem kompakt! Psychiatrie fast erscheint jetzt neu in der komplett überarbeiteten 3. Auflage. In nur 6 Stunden vermittelt dieser Crashkurs in humorvoller Weise prüfungsrelevantes Wissen aus dem Fachbereich Psychiatrie. Dabei deckt „Psychiatrie fast“ einen Großteil der Themen des Gegenstandskatalogs ab und berücksichtigt sowohl die Prüfungsinhalte der IMPP-Prüfung, als auch die Inhalte der mündlichen Prüfung und der Krankheitsbilder des ICD 10.

Wer so wie ich gewohnt ist, zwischen den Zeilen zu lesen, stößt schnell beim durchblättern der Rezensionen (Amazon) auf diese Hinweise: „Das kitteltaschen-geeignete Büchlein“ „Allein das Format von ca 8x7 cm, 154 Seiten gedruckt auf Dünndruckpapier“ „Ein winziges Büchlein. Aber es ist wohl nur für Studenten mit guten Augen geeignet. Die Schrift ist so klein wie auf Medikament-Beipackzetteln“

Da wurde mir klar wie der Chefarzt der Psychiatrie seinen Job versteht. Die ganze Psychiatrie in der Kitteltasche, als Spickzettel sozusagen. Wer Wissensvermittlung so versteht, kann nicht wirklich verstehen. Wer als Arzt in der Psychiatrie den Dingen nicht wenigstens versucht auf den Grund zu gehen und stattdessen nur im Kinderbecken planscht, hat seinen Beruf verfehlt. Wenn Studenten mit Hilfe dieses Büchleins angeblich Prüfungen bestehen, wandelt sich meine kalte Wut in „heiligen Zorn“ Gut, dass ich Manfred Lürz´s Büchlein zum Ausgleich immer zur Hand habe: „irre, wir behandeln die Falschen“ und denke mir: „total irre, wir lassen uns sogar von den Falschen behandeln“

Trotzdem, bleiben wir stark
Federico

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BeitragVerfasst: Dienstag 4. Januar 2011, 10:49 
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In der „Zeit“ http://www.zeit.de/online/2009/36/alkoholismus-sucht bin ich auf eine interessante und engagierte Leserbrief-Diskussion gestoßen, hier ein Auszug:

Zitat:
Während meines Studiums habe ich in einer Entzugsklinik gearbeitet. Wenn Sie einmal erlebt hätten, wie erwachsene Menschen weinend vor ihnen sitzen, weil sie ihren 30+x-ten Entzugsversuch starten, jedoch nie vom Alkohol losgekommen sind. Die sich schämen, weil sie regelmäßig nachts rausgehen mussten, um sich an der Tankstelle billigen Fusel zu kaufen. Das Leben dieser Menschen wurde durch den Alkohol zerstört. Und nur ca. 10% kommen langfristig von ihrer Sucht frei. Können Sie sich da nur im Ansatz vorstellen, was für ein Segen ein Medikament wäre, mittels dessen man das "craving", den kaum stillbaren Drang nach der Droge, unterdrücken könnte?


Aus Gründen der Ausgewogenheit und in komprimierter Form als Jahresrückblick, gut geeignet zu demonstrieren, wie surreal das „Pro und Contra“ 2010 diskutiert wurde. Für mich persönlich stellt sich die Frage: wie konnten wir 2010 nur so sachlich und beherrscht bleiben, angesichts der Masse an Dummheit und Ignoranz die besonders über unser Forum hereingebrochen ist? immerhin habe ich seit Bestehen des Forums lediglich eine einzige Anzeige wegen „Beleidigung“ erhalten. Auch eine bemerkenswerte Leistung, finde ich im Rückblick ...

LG Federico

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BeitragVerfasst: Dienstag 4. Januar 2011, 14:53 
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Federico hat geschrieben:

...Für mich persönlich stellt sich die Frage: wie konnten wir 2010 nur so sachlich und beherrscht bleiben, angesichts der Masse an Dummheit und Ignoranz die besonders über unser Forum hereingebrochen ist?...

LG Federico

Ein kleines Zitat von Wilhelm Busch:" Dummheit ist auch eine natürliche Begabung."

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BeitragVerfasst: Dienstag 4. Januar 2011, 18:02 
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Wobei in unserem Fall dieses Zitat äußerst zutreffend scheint:
Zitat:
Man kann Dummheit sorgfältig durch Erziehung zu Vorurteilen herbeiführen. (Alexander Mitscherlich)


Diese spezielle Erziehung scheint in Deutschland elementarer Bestandteil unserer Leidkultur zu sein.

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BeitragVerfasst: Dienstag 4. Januar 2011, 18:53 
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Ja leider. Ich habe versucht meinen Kindern beizubringen, offen für alles zu sein und niemanden Vorurteile entgegenzubringen.

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BeitragVerfasst: Dienstag 4. Januar 2011, 22:46 
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Ich bin auch in der realen Welt relativ Vorurteilsfrei, das hat nicht nur was mit der Anonymität des Netzes zu tun.

Ich möchte Euch deswegen eine kleine Geschichte erzählen:
Ich hatte mich von meinen Ex-Mann getrennt, ein Alkoholiker. Allerdings war er Quartalssäufer und extrem gewalttätig, so das deswegen auch jeglichen Kontakt mit ihm anlehne.
Seine Freunde, alles Alkoholiker, die am Imbiss stehen. Einige davon waren aber nicht dumm und ich habe mich nach der Trennung nicht von den Leuten abgewandt. auch wenn ich manchmal dumm angeschaut wurde weil ich mich mit "sowas" unterhalte. Einer davon hat sich mit mir eines abends, gegen 17 Uhr gegenüber von dem Imbiss an der Bushaltestelle unterhalten. Es hat geregnet, ich wartete auf den Bus mit meinen Kindern. Er sah schrecklich aus und sagte mir auch das es ihm nicht gut geht. Er zitterte und wollte nicht so richtig an den Imbiss um mit den anderen zu saufen. Ich fuhr dann mit dem Bus zum einkaufen und begegnete ihm nicht nochmal. Am nächsten Tag erfuhr ich das man ihn 200 Meter weiter, direkt vor der Feuerwehr tot aufgefunden hatte.

Ich möchte hier an dieser Stelle nochmals betonen, ich habe kein Problem mit Alkohol, ich habe ein Essproblem, bin aber trotzdem tolerant und versuche es zu verstehen. Leider verstehen die meisten mein Problem dagegen nicht.

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